Alcina

Gedanken zu Händels Alcina

Georg Friedrich Händels Oper Alcina handelt von der Zauberin Alcina, die Ritter auf ihre Insel lockt und diese mit Zauberei verführt. Sobald sie die Lust an ihnen verliert, verwandelt sie diese in Tiere, Pflanzen oder Steine. Als sie den Ritter Ruggiero entführt und verzaubert, macht sich dessen Verlobte Bradamante als Mann verkleidet auf die Suche nach ihm und befreit ihn durch List. Am Ende verliert Alcina ihre Zauberkraft, da ihr Herz gebrochen ist, denn sie verliebte sich wahrhaftig in Ruggiero.
Für mein Diplomprojekt setze ich die Handlung in das Umfeld typischer Büroarbeitswelt. Die Insel wird zum sterilen Bürogebäude, von dem zu den vorgeschriebenen Arbeitszeiten ebenfalls kein entrinnen ist. Alcina ist Chefin eines Unternehmens – erfolgreich, stark, aber auch skrupellos und hart gegenüber ihren Mitarbeitern (weitere Rollen; Bradamante tritt als Business-Partner auf). Die Angestellten haben vor ihr großen Respekt, fast Angst, zugleich wird sie von vielen begehrt und bewundert. Sie ist bekannt dafür, sich Männer zu nehmen, wann sie will, um sie bald darauf, mit verächtlicher Kälte zu strafen. Mit Ruggiero zerbricht ihre kalte Kontrolliertheit, sie wird ihr eigens Opfer davon.
Diese Interpretation ist ein Sinnbild für die engen zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz, die trotz professioneller Distanz, allein durch die Zeit, intensiv und lebensbestimmend sind. Die Machtgefüge in diesem System der Nähe führen nicht selten zu Missverständnissen, falschen Affekten, Gerüchten und Abhängigkeitsverhältnissen. Das dramatische Ränkespiel der Oper gelangt in einen Raum, in dem der Mensch durch Mechanismen des Kapitalismus entfremdet ist. Die Natur ist nurmehr Alcinas böser Zauber, die voller Absurdität in den cleanen Büroalltag tritt.
Das Projekt war zuerst als klassischer Bühnen- und Kostümentwurf geplant, entwickelte sich aber durch die Recherche der genannten Themenbereiche zum Ziel einer Installation einzelner Elemente, die die Figuren und die Welt, in der sie spielen, ergründet. Szenen und Elemente werden subjektiv und abstrakt interpretiert. Ich schaffe das Innere und Äußere der kalten Office-Welt im Modell und mit Figuren, stelle Situationen dar, in der Tiere und Natur in absurder Form diese Welt brechen, etwa treffen verzauberte Tierfiguren, als subtil eingesetzte Bühnenelemente auf Sezenen des Büroalltags. Ich experimentiere dabei mit den Materialien Holz, Plexiglas und Finpappe und sehe den Prozess des Entstehens der dargestellten Situationen selbst als Experiment – ich fertige nicht ein Modell mit vielen Teilen, aber viele Teile eines Modells.. Einzelne Schritte, Entwürfe und auch Fehlschläge sollen Teil der Installation werden.
Die fehlende Wertschätzung von Zwischenmenschlichkeit in der oft kalt-berechnenden Arbeitswelt wird hinterfragt, fragwürdige Machtmechanismen werden entblößt, wie es sich eben in Alcinas Scheitern zeigt: Als sie das erste Mal ihr Herz öffnet, wird sie Schwach und verliert ihre Macht und Autorität.